Wie bist du auf die Idee gekommen, dich intensiver mit den Bedürfnissen von Menschen mit ADHS im Karriere-Coaching zu befassen?
Seit vielen Jahren erlebe ich in meinem persönlichen Umfeld, wie sehr eine ADHS das Leben von Menschen prägen kann. Ich habe gesehen, wie schwer es sein kann, den Lebensweg zu gehen, wenn einen die ADHS immer wieder ablenkt.
Und ich habe gesehen, wie gut es laufen kann, wenn die ADHS als natürlicher Bestandteil ins Leben integriert ist. Dabei möchte ich Menschen unterstützen.
Auf welche Herausforderungen treffen Menschen mit ADHS im Arbeitsleben?
Viele etablierte Strukturen im Arbeitsleben passen nicht gut zu Menschen mit ADHS. Zum Beispiel geteilte Büros, denn Menschen mit ADHS sind besonders anfällig für Ablenkungen. Ihr Wahrnehmungsfilter lässt sehr viele Reize durch, die andere Menschen ausblenden können. Für die Betroffenen ist diese Vielfalt an Reizen meist gar nicht schlimm, für sie ist es völlig normal, dass sie oft ihren Fokus wechseln. Aber nach außen kann das sehr sprunghaft und unkonzentriert wirken.
Auch das richtige Einschätzen von Zeit fällt vielen schwer, zum Beispiel, wie lange sie für eine Wegstrecke oder eine Aufgabe brauchen. Daher kommen sie häufig zu spät oder werden mit ihren Aufgaben nicht zur geplanten Zeit fertig.
ADHS kann auch Schwierigkeiten auf der zwischenmenschlichen Ebene mit sich bringen. Menschen mit ADHS zeichnen sich oft durch eine lebendige und energiegeladene Denkweise aus. Da sie gedanklich häufig schon mehrere Schritte voraus sind, empfinden sie das Tempo von Gesprächen oder Meetings häufig als zu langsam.
Dies führt dazu, dass sie sich entweder gedanklich zurückziehen, was für andere unaufmerksam wirken kann. Oder dass sie aktiv versuchen, den Austausch zu beschleunigen, indem sie ihre Ideen einbringen. Die Absicht ist positiv: Sie wollen damit den Dialog voranbringen. Aber andere sind von einem solchen Vorstoß oft irritiert oder verärgert.
Welche besonderen Schwierigkeiten haben Menschen mit ADHS, die sich beruflich neu orientieren wollen?
Typisch sind verschlungene Berufswege mit sehr häufigen Wechseln der Arbeitsstellen. Dadurch können Menschen mit ADHS das Gefühl bekommen, im Berufsleben versagt zu haben und nicht dafür gemacht zu sein, dauerhaft einen Job zu behalten. Das führt dazu, dass Menschen mit ADHS sich selbst innerlich stark abwerten und den Eindruck haben, nicht kompetent zu sein.
Die Folge davon ist eine tief sitzende Angst, wieder eine falsche Entscheidung fürs Berufsleben zu treffen. Das Gefühl kennen viele, aber bei Menschen mit ADHS ist diese Angst wegen der vielen negativen Vorerfahrungen an all ihren Arbeitsstellen in der Regel besonders intensiv ausgeprägt.
Wir haben viel über die Schwierigkeiten mit einer ADHS gesprochen. Gibt es auch Ressourcen, die damit verknüpft sind?
Jeder Mensch ist anders und hat eine Schatzkiste an individuellen Ressourcen, deswegen ist das pauschal schwierig zu sagen. Aber es gibt Tendenzen.
Menschen mit ADHS brauchen viel Abwechslung und lieben schnelle Wechsel. Fürs Berufsleben bedeutet das, dass sie sich äußerst flexibel auf neue Umstände einstellen und spontan umplanen können.
Und: Im Arbeitsleben wird ja oft dazu aufgerufen, auch mal „out of the box“ zu denken. Da haben Menschen mit ADHS einen echten Vorteil. Denn durch ihre Neurodiversität denken sie die ganze Zeit „out of the box“, das ist der Grundzustand.
Menschen mit ADHS sind häufig in kreativen Berufen zu finden, ich vermute, weil Kreativität nicht so starren Regeln unterliegt, sondern Raum für eigene Gedanken und Ideen lässt.
Angenommen, ich komme als Mensch mit ADHS zu dir ins Coaching, weil ich keine Ahnung habe, wo es mit mir beruflich hingehen soll. Was erwartet mich?
Vor allem erwartet dich großes Wohlwollen und Verständnis! Genau wie alle anderen Klientinnen und Klienten auch. Es gibt aber auch ein paar Besonderheiten.
Zum Beispiel gestalte ich mein Coaching-Umfeld sehr ruhig, damit dich möglichst wenig äußere Faktoren von deinen inneren Prozessen ablenken können. Gleichzeitig biete ich in meinen Methoden viel Abwechslung und Bewegung, denn ich weiß, dass du dich sonst langweilen könntest. Und ich helfe dir dabei, den roten Faden im Prozess zu behalten, indem ich dir gute Strukturen gebe.
Viele Methoden, die für neurotypische Menschen funktionieren, passen nicht zu Menschen mit ADHS, weil das Gehirn einfach anders arbeitet. Ihr Gehirn und auch alle Emotionen sind wahnsinnig schnell auf Hochtouren, aber es dauert lange, bis sie wieder runterkommen. Es gibt da einen oft zitierten Vergleich mit einem Maserati. Der kommt auch zackig auf 180, hat aber einen langen Bremsweg. Das Gleiche gilt für ein neurodiverses Gehirn von Menschen mit ADHS.
Deswegen passe ich meine Methoden an. Viele davon habe ich in einer speziellen Schulung zu ADHS im Erwachsenenalter gelernt. Die passen übrigens nicht nur im Coaching, sondern sind super auf den Alltag übertragbar.
Was ist dir noch wichtig im Coaching von Menschen mit ADHS?
Eine ADHS bleibt ein Leben lang und gehört zu dem Menschen dazu. Daher lohnt es sich zu lernen, sich mit der ADHS zu arrangieren und individuelle Wege zu finden, das Leben zu meistern. Ich habe mal den Satz gehört „Wenn die ADHS mit dir macht, was sie will, dann gibt es Chaos. Wenn du mit der ADHS machst, was du willst, dann gestaltest du dein Leben.“
Ich habe gesehen, wie kräftezehrend es ist, wenn Menschen mit ADHS sich zwingen, in die üblichen Strukturen zu passen. Mein Anliegen ist: Ich möchte Menschen dabei unterstützen, dass ADHS im beruflichen Kontext Rückenwind gibt und nicht mehr als Gegenwind empfunden wird.
Liebe Nina, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
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