„Zukunftsängste betreffen uns alle.“

BlogSEQUOYA
Franziska Schönfeld über gesellschaftliche Erschöpfung, wirksame Bewältigungsstrategien – und wie wir lernen, Zukunft wieder als Möglichkeitsraum zu begreifen. (Foto: Andi Weiland)
Franziska, du arbeitest im systemischen Coaching und als Zukunftsforscherin – eine spannende Kombination. Was hat dich persönlich dazu bewogen, dich auf das Thema Zukunftsängste zu spezialisieren?

Mein Weg zu diesem Thema begann mit dem Masterstudium „Zukunftsforschung“ an der FU Berlin und meiner achtsamkeitsbasierten Coachingausbildung am ICA. Im Studium hörte ich immer wieder den Satz: „Zukunft ist offen und gestaltbar.“ Das ist natürlich ein sehr ermächtigender Gedanke.

In meiner Coachingpraxis merke ich aber auch: Für viele Menschen ist „Zukunft“ inzwischen eher mit Angst, Unsicherheit und Kontrollverlust verbunden – weniger mit Hoffnung oder Gestaltungskraft. Wir leben in einer Zeit, in der sich eine Krise an die nächste reiht: Pandemie, Klimakrise, Kriege, wirtschaftliche Unsicherheit. Viele erleben das als dauerhafte Ausnahmesituation – ohne Verschnaufpause oder die nötige Zeit, alles ausreichend verarbeiten zu können.

Ein Gefühl, das wohl viele Menschen nachvollziehen können …

Absolut! Zukunftsängste sind aber kein rein individuelles, sondern ein kollektives Phänomen. Soziolog:innen wie Hartmut Rosa sprechen von der erschöpften Post-Corona-Gesellschaft. Die Zahlen sind alarmierend: Jede zweite Krankschreibung in Deutschland erfolgt wegen psychischer Belastung. Das Thema Zukunftsängste betrifft uns also massiv als gesamte Gesellschaft.

Infokasten: Wer ist Franziska Schönfeld?
Franziska Schönfeld ist systemische Coachin, Diplom-Kulturwissenschaftlerin und Zukunftsforscherin. Mit über elf Jahren Erfahrung in der kulturellen Weiterbildung begleitet sie Menschen dabei, sich ihrer Ressourcen, Wünsche und Zukunftsperspektiven bewusst zu werden. In ihrer Arbeit verbindet sie ihren systemischen Blick mit achtsamkeitsbasiertem Coaching und dem kreativen Spiel mit Zukunftsbildern – mit kollegialer Gelassenheit, Mut, Freude am Aufbruch und einer Prise Humor.
Franziska Schönfeld Foto: Roberta Maddalena Bireau
Wie äußert sich diese Krisen-Überforderung im Alltag deiner Klient:innen?

Viele Menschen, mit denen ich arbeite, berichten von klassischen Stressreaktionen – sie schalten in den Überlebensmodus: Dabei sprechen wir von „Fight, Flight or Freeze“ („kämpfen, fliehen oder erstarren“).

Die Symptome sind vielfältig: Körperlich kann sich extreme Zukunftsangst etwa durch flache Atmung oder Schweißausbrüche zeigen – und psychisch durch ständiges Grübeln mit einer sehr lauten inneren, kritischen Stimme.

Ein weiteres Merkmal ist das Denken in extremen Gegensätzen. Viele erleben dann eine „Entweder-oder“-Logik: Entweder alles wird gut, oder alles wird eine Katastrophe. Graustufen verschwinden. Der Wunsch nach übermäßiger Kontrolle und Sicherheit wächst. Im akuten Stresserleben hilft es aber gar nicht, zum Beispiel durch exzessiven Nachrichtenkonsum an weitere Infos zu kommen oder die Zukunftssorgen wegzudiskutieren, denn: In diesem Zustand haben Menschen schlicht keinen Zugang zu ihren inneren Ressourcen oder möglichen Problemlösungen.

Was passiert, wenn dieser Zustand über längere Zeit anhält?

Dann hat das gravierende Auswirkungen. Viele erleben ihr Privat- und Berufsleben als permanent beschleunigt und unsicher – mit dem Gefühl, sie wären eher Beifahrer:in im eigenen Leben, als dieses selbst zu gestalten. Daraus entsteht oft ein leises, aber konstantes Gefühl, festzustecken – oder die Überzeugung: Zukunft ist Bedrohung.

Um dies zu kompensieren, kann ein Hang zu ungesunden Verhaltensmustern entstehen – zum Beispiel emotionales Essen oder der übermäßige Konsum von Alkohol, Nikotin oder anderen Substanzen. Außerdem führt Dauerstress zu einem kontinuierlich hohen Cortisolspiegel – was wiederum zu Schlafstörungen führen kann.

Das klingt nach einem echten Teufelskreis. Wie gehst du als Coachin damit um? Was passiert, wenn jemand mit Zukunftssorgen zu dir kommt?

Der Weg geht immer über den Körper. Das bedeutet konkret, dass wir im Coaching zunächst gemeinsam das eigene Stresserleben erkunden. Ich arbeite mit meinen Klient:innen daran, zu erkennen: Was versetzt mich von außen unter Stress? Inwiefern verstärke ich das durch selbstkritische Kommentare? Wo in meinem Körper spüre ich den Stress überhaupt?

Im zweiten Schritt geht es darum, individuelle Bewältigungsstrategien zu entwickeln, um den eigenen Stress zu reduzieren. Außerdem erarbeiten wir Ansätze, um sich selbst zu regulieren und das eigene Fürsorgesystem zu aktivieren.

Kannst du mir ein Beispiel dafür nennen, was in einer solchen Situation besonders hilft?

Ein zentraler Baustein ist es, eigene Gefühle und Gedanken wahrnehmen und benennen zu lernen. Dr. Dan Siegel, Professor der Psychiatrie an der University of California (UCLA), prägte hierbei das Prinzip „name it to tame it“: Wenn ich etwas benennen kann, fällt es mir auch leichter, damit umzugehen. Es geht dabei nicht darum, Gefühle wegzudrücken, sondern sie als eine Art Kompass zu begreifen. Wir neigen kulturell dazu, Gefühle in gut oder schlecht einzuteilen. Aber alle Gefühle haben ihre Berechtigung, denn sie signalisieren uns, wie es derzeit um das eigene Wohlbefinden steht.

Zusätzlich ist es entscheidend, Gefühle nicht nur zu benennen, sondern auch wertschätzen zu lernen: Wir halten inne, nehmen sie wahr und lassen sie da sein. Gleichzeitig üben wir, die Gefühle vom eigenen Ich zu trennen, nach dem Motto: Ich habe Angst, ich bin aber nicht die Angst.

Im Coaching erkunden wir also Stück für Stück gemeinsam die Gefühle und Bilder, die in den eigenen Zukunftssorgen und -ängsten stecken. Dafür nutze ich unter anderem die Praxis des Selbstmitgefühls, zum Beispiel die Selbstmitgefühlspause. Auch emotionsfokussierte Coachingansätze und kreative Methoden sind wichtige Elemente.

Im Zusammenhang mit Zukunftsängsten wird häufig auch von Resilienz gesprochen. Arbeitest du mit diesem Konzept?

Resilienz ist ein inflationär diskutiertes, aber trotzdem wichtiges Thema. Unter dem Begriff versteht man, dass Menschen es lernen können, psychisch widerstandsfähiger zu werden. Die Resilienzexpertin Jutta Heller spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten sieben Schlüsselfaktoren der Resilienz: Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Verantwortung, Netzwerkorientierung, Lösungsorientierung und Zukunftsorientierung.

Um diese Faktoren zu stärken, identifizieren wir im Coaching gemeinsam vorhandene innere und äußere Ressourcen – oft über biografische Arbeit. Das heißt, wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue: Was hat mir in vergangenen Krisenmomenten schon mal geholfen? Welche Beziehungen stärk(t)en mich? Es geht darum, sichtbar zu machen, was bereits da ist und was im Kleinen schon funktioniert.

„Zukunftsorientierung“ hat also auch etwas mit Resilienz zu tun?

Menschen beschäftigen sich im Alltag immer schon viel mit „der“ Zukunft – oft, als gäbe es nur eine einzige, vorherbestimmte. Doch Zukunft existiert nur in unserer Vorstellung. Niemand kann die Zukunft genau vorhersagen, ich kann mir aber bewusst machen, welche gegenwärtigen Bilder von Zukunft ich habe. Das Spannende daran ist: Meine Zukunftsbilder sagen viel darüber aus, wie ich mich und die Welt sehe und emotional bewerte – was ich für wünschenswert, für unbedingt vermeidbar, für wahrscheinlich und für unwahrscheinlich halte. Wie ich auf „Zukunft“ schaue, beeinflusst enorm mein gegenwärtiges Handeln, denn diese Bilder können meinen Möglichkeitsraum begrenzen oder erweitern.

In meiner Arbeit kombiniere ich Coachingansätze mit der Perspektive der Futures Literacy, einer noch jungen Disziplin. Sie beschreibt die erlernbare Fähigkeit, systematisch, bewusst und spielerisch verschiedene Zukünfte zu erkunden und eigene Denkmuster zu hinterfragen – also beispielsweise ein „Entweder-oder“ in ein „Und-auch“ zu verwandeln, um neue Impulse für die Gegenwart zu finden. Dazu gehört auch, sich zu fragen: Wie würde ich mich in einer für mich wünschenswerten Zukunft eigentlich fühlen? Inwiefern erlebe ich mich in meinen Zukunftsbildern als selbstwirksam oder vernetzt mit anderen bzw. woran würde ich das merken? Die Resilienzfaktoren, von denen ich gerade gesprochen habe, können mich also dabei unterstützen, meine eigenen Zukunftsbilder zu erkunden und weiterzuentwickeln.

Das klingt nach einem Weg, um bestärkter auf „Zukunft“ zu schauen …

Die Zukunftsforscherin Susanne Waldow-Meier spricht in diesem Zusammenhang von einem notwendigen „Zukunftsmut“. Sie hat sich als eine der Ersten mit der Rolle von Emotionen in der Gestaltung von Zukünften beschäftigt. Unter „Zukunftsmut“ versteht sie die „Fähigkeit, kritisch zu hoffen“: Ich lasse meine Gefühle zu und begegne ihnen wertschätzend, auch wenn sie herausfordernd sind. Und gleichzeitig hoffe ich auf eine bessere, gemeinsame Zukunft und erprobe diese in Verbindung mit anderen.

Zum Abschluss: Was hilft gegen Zukunftsängste im täglichen Leben? Hast du noch konkrete Tipps für den Alltag?

Das beginnt oft mit den ganz kleinen Dingen. Zum Beispiel: die sensiblen Phasen des Tages bewusst gestalten. Statt also morgens direkt zum Handy zu greifen und Nachrichten zu lesen, kann es helfen, eine ruhige Morgenroutine zu etablieren. Empfehlenswert ist es auch, sich tagsüber bewusst für kleine Momente aus dem Außen auszuklinken, wie ein Check-in mit sich selbst. Laute Gedanken und Gefühle kann man aufschreiben. Atemübungen und Meditationen können helfen.

Wichtig ist auch, bewusst in die emotionale Verbindung mit anderen Menschen zu gehen, über die eigenen Zukunftsängste zu sprechen und wahrzunehmen, dass es anderen vielleicht ähnlich geht. Hilfreich dafür ist es, Räume des kollektiven Miteinanders zu finden, zum Beispiel mit anderen zu demonstrieren oder künstlerisch aktiv zu werden.

Außerdem: sich von geliebten Menschen umarmen zu lassen und sich selbst liebevoller zu behandeln. Selbstmitgefühl ist wirklich erlernbar – und gerade in herausfordernden Zeiten eine zentrale Ressource. Mit meinen Klient:innen erarbeite ich im Coachingprozess oft ein individuelles Repertoire. Darauf können sie in Momenten akuter Zukunftsangst zurückgreifen und entwickeln so Stück für Stück mehr Zukunftsmut.

Vielen Dank für das spannende Gespräch und den wertvollen Input, Franziska!

Von Zukunftsangst zu Zukunftsmut – jetzt handeln!

Du kämpfst auch mit Zukunftsängsten oder möchtest deinen Möglichkeitsraum gezielt erweitern? Du willst deine berufliche oder persönliche Zukunft selbst in die Hand nehmen? Es ist Zeit für eine Veränderung – und der erste Schritt ist leichter, als du denkst.

Kostenfreies Erstgespräch

Nimm dir 30 Minuten Zeit für dich und vereinbare ein unverbindliches Gespräch bei SEQUOYA. Gemeinsam schauen wir, wo du stehst und wie wir dich im Rahmen eines Coachings unterstützen können.

Individuelles Zukunftsängste-Coaching

In einem maßgeschneiderten Coaching-Prozess begleiten wir dich auf deinem persönlichen Weg zu mehr Zukunftsmut – nachhaltig und tiefgreifend.