Stress im Alltag – der Blick durchs Schlüsselloch
Stellen Sie sich vor es ist Mittwochabend. Bei der Arbeit ist seit Wochen die Hölle los, denn übermorgen fängt die Messe an, die Ihre Firma organisiert. Heute hat es mal wieder länger gedauert, deswegen haben Sie nicht eingekauft. Denn es ist schon 19 Uhr, Sie sind fix und alle und möchten lieber noch ein bisschen Zeit mit Ihrer Familie verbringen statt an einer Kasse anzustehen. Kaufen Sie eben morgen ein. Vielleicht.
Zwei Stunden später. Die Kinder sind im Bett und Sie sind völlig alle. In dem Moment klingelt das Telefon. Ihre Mutter. Eigentlich haben Sie keine Energie für ein Gespräch, aber es ist viel zu lange her, seitdem sie zuletzt miteinander geredet haben. Also gut.
Während des Telefonats blicken Sie in den Spiegel. Sind das eigentlich Haare auf dem Kopf oder eine Frisur? Frisur… Frisur!! Da war doch was… Während Ihre Mutter irgendwas über ihre neue Brille erzählt, tippen Sie hektisch in ihrer Kalender-App herum. Jep. Da steht’s: Heute um 17 Uhr wäre ein Friseurtermin gewesen. So ein Mist. Den haben Sie völlig vergessen.
Alarmsignale: Wie viel Stress ist zu viel?
Arbeit, Familie, Freundschaften, waschen, einkaufen, zur Ärztin gehen… ganz schön viel, was im Alltag unter einen Hut passen soll. Vor allem, wenn „chillen auf dem Sofa“ auch noch mit ins Programm soll.
Es ist normal, dass uns unser Leben manchmal über den Kopf wächst. „Weniger Stress“ bleibt in manchen Phasen nur ein frommer Wunsch. Aber ab wann ist Stress zu stressig? Hier sind einige Alarmsignale, die Ihnen zeigen, dass es mit „jetzt aber mal zusammenreißen“ nicht getan ist. Sondern dass es gerade alles wirklich zu viel ist.
Alarmzeichen können sein
- Sie können sich nicht mehr wirklich auf eine Aufgabe konzentrieren.
- Sie machen viele Flüchtigkeitsfehler.
- Sie vergessen Dinge, an die Sie normalerweise denken.
- Sie haben das Gefühl, in jedem Lebensbereich zu versagen.
- Es fällt Ihnen schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
- Sie sind ständig müde und erschöpft.
- Sie haben keine Kraft mehr für Sachen, die eigentlich Spaß machen – ein Abend mit Freund:innen, ein Spaziergang, ein Ausflug an den See,…
- Wenn Sie sich entspannen wollen, fallen Ihnen die ganzen Sachen ein, die Sie noch tun müssen.
- Sie haben Schlafprobleme, denn Ihr Gedankenkarussell dreht besonders schnell, wenn Sie so gern in den dringend benötigten Schlaf finden möchten.
All diese Symptome – vor allem mehrere in Kombination – sind sehr laute Alarmsignale Ihres Körpers, dass er dringend Ruhe und weniger Stress braucht.
7 Tipps für einen entspannteren Alltag mit weniger Stress
Erkennen Sie eines oder sogar mehrere dieser Symptome aus Ihrem eigenen Alltag wieder? Dann sollten Sie etwas ändern! Mit unseren sieben Tipps geht das ganz einfach. Die helfen übrigens auch dabei, dass es gar nicht erst zu einer Überlastung kommt.
Erster Schritt: Trinken Sie ein Glas Wasser und sagen Sie laut Aaah! Egal, ob Sie gerade gestresst sind oder nicht – stay hydrated 😊 Und jetzt kommen noch sieben weitere „Aaah“-Momente für weniger Stress:
1. Annehmen
Wenn Sie sich permanent überlastet fühlen, ist das kein Zeichen von Schwäche. Ihre Erschöpfung ist ein wertvolles und wichtiges Zeichen von Körper und Geist. Es ist eine deutliche, aber auch liebevolle Erinnerung, dass Sie auch mal an sich selbst denken dürfen.
Nehmen diese Zeichen an. Nehmen Sie die Situation an. Damit nehmen Sie sich selber ernst und können beginnen, etwas zu verändern.
2. Ansprechen
Machen Sie Ihren Stress, Ihre Überlastung nicht mit sich alleine aus, sondern gehen Sie offen damit um. Das anzusprechen ist ein wichtiger Schritt, damit der Stress weniger wird. Denn es ist ein wichtiges Signal an andere – und auch an Sie selbst.
Reden Sie mit den Menschen am Arbeitsplatz und in Ihrer Familie, die an der Situation beteiligt sind. Machen Sie einen Termin mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin und sprechen Sie über körperliche Symptome. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Verspannungen, Schlafprobleme,… all das und noch mehr kann auf Stress zurückzuführen sein.
Wenn Sie glauben, dass Ihre Arbeit der Grund für Ihren Stress ist, können Sie eine offizielle Überlastungsanzeige in Erwägung ziehen. Es ist ein schriftliches Dokument, in dem Sie Ihren Vorgesetzten mitteilen, dass Sie die anfallende Arbeit nicht mehr aus eigener Kraft erledigen können – zum Beispiel wegen chronischer Unterbesetzung im Service-Center, auf einer Pflegestation oder in einem Wohnheim für Geflüchtete. Es ist die Aufforderung an Vorgesetzte, dringend zu handeln, um negative Folgen fürs Unternehmen oder sogar Gefahren für Kund:innen und Patient:innen zu vermeiden.
3. Aufmerksam sein
Gehen Sie in Gedanken typische Alltagssituationen durch. Wo lauern die Energieräuber? Das können bestimmte Tätigkeiten, aber auch Menschen sein, die Sie viel Kraft und Zeit kosten.
Stellen Sie sich dazu einige Fragen:
- Übernehmen Sie im Job oft Zusatzaufgaben, die eigentlich auch mal jemand anderes machen könnte?
- Sind Sie die Person, die immer die Familientreffen, die Gemeinschaftsgeschenke, die Spieleabende organisiert?
- Gibt es eine Freundin, die sich ständig und ausgiebig nur bei Ihnen ausheult?
- Verbringen Sie Stunden mit Kleinigkeiten, mit Bügeln oder in den Sozialen Medien und fühlen sich danach unzufrieden?
- Womit verbringen Sie viel Zeit, die Sie eigentlich lieber ganz anders nutzen möchten?
- Was ist Ihnen wirklich wichtig – und was eher zeitraubende Gewohnheit?
Das ist der Anfang, um etwas Struktur in die Belastungen in Ihrem Alltagswirrwarr zu bringen. Mit dem nächsten Tipp können Sie Ihren Alltag noch genauer unter die Lupe nehmen.
4. Analysieren
Wissen Sie und andere, was Sie alles im Team, in der Familie tun? Notieren Sie mal jede kleine Tätigkeit, die Sie erledigen. Die meisten Erkenntnisse gibt es, wenn die das über mehrere Tage oder sogar eine ganze Woche samt Wochenende beobachten. So haben Sie mal alles Schwarz auf Weiß. Dann können Sie analysieren und priorisieren.
Gleichen Sie Ihre Notizen mit den 5 folgenden Fragen ab.
- Was will ich tun?
Was gibt mir Energie, Freude, bringt mich meinem Ziel näher? - Was ist notwendig?
Wofür trage ich wirklich die Verantwortung? - Was kann ich gemeinsam oder im Wechsel mit anderen tun?
Was ist nicht allein mein Thema, wo sind andere mit-verantwortlich? - Was gebe ich ab?
Welche Tätigkeiten könnten andere übernehmen, denn es ist nicht wichtig, dass ich es mache, sondern nur, dass „jemand“ es tut? - Was kostet mich immense Kraft und Lebenszeit?
Was will ich nicht mehr tun? Was ist für mich so nervig oder aufwändig, dass ich es nie wieder machen will?
Nun ordnen Sie jeder der 5 Fragen eine Farbe und markieren Sie Ihre Notizen.
Gucken Sie für jede Farbe, jede Frage genau hin: Wie häufig taucht die Farbe auf für die Aufgaben, die Ihnen Freude bereiten? Wie häufig sind Energiefresser? …
5. Abgeben
Je ausführlicher Sie Ihren Alltag analysiert haben, desto besser funktioniert dieses Aaah!
Haben Sie die Übung aus Nr. 4 gemacht und Ihren Alltag schriftlich analysiert? Dann arbeiten Sie in diesem Schritt damit weiter. Wenn nicht, überlegen Sie jetzt: Welche Aufgaben aus meinem Alltag können genauso gut andere machen? Schreiben Sie diese Aufgaben auf.
Für jede dieser Aufgaben überlegen Sie: An wen gebe ich das ab? Schreiben Sie den Namen daneben! Das können Teammitglieder sein, andere Menschen aus Ihrer Familie, Freund:innen oder Bekannte. Sie können Aufgaben auch auslagern und ein:en Dienstleister:in damit beauftragen.
Klingt aufwändig? Naja, von selbst macht sich das nicht – aber danach haben Sie viel weniger To Dos. Das ist doch ein lohnendes Ziel, oder?
6. Aushalten
Vielleicht kostet es Sie große Überwindung überhaupt anzusprechen, dass Sie eine Aufgabe abgeben möchten. Das ist normal und es ist okay. Und es wird vermutlich noch mehr innerer Widerstand auftauchen.
Denn sobald Sie Aufgaben aus ihrem Alltag abgegeben haben, schleicht sich eine neue Herausforderung an: auszuhalten, wie eine andere Person diese Aufgabe macht. Nämlich ganz anders als Sie selbst. Das gilt für das Anlegen einer Excel-Tabelle oder die Projekt-Präsentation genau wie für den Fensterputz und die Tisch-Deko für den nächsten Kindergeburtstag.
Es kann helfen, eine ausführliche Übergabe machen: Was sind gemeinsame Ziele, Erfahrungen, erprobte oder erwünschte Herangehensweisen an die Aufgabe? Möchten Sie weiter involviert, gelegentlich Ansprechpartner:in bei Fragen sein oder nicht?
Achtung: Je mehr Sie von der Hintertür aus noch involviert sind, desto mehr von der Aufgabe bleibt bei Ihnen. Denn Sie beschäftigen sich in Gedanken weiterhin damit.
Deswegen: Geben Sie nicht nur eine Aufgabe ab, sondern auch die Verantwortung dafür. Und halten Sie aus, dass es jetzt anders gemacht wird.
7. Aufgeben
Aufgeben? Ja. Im positiven Sinne: Verabschieden Sie sich von Ihrem Perfektionismus. Der bringt Sie nicht weiter, sondern an die Grenzen Ihrer Belastbarkeit.
Das Gleiche gilt für andere Glaubenssätze oder antrainierte Verhaltensweisen. Zum Beispiel:
- „Wenn ich mich nicht kümmere, läuft das einfach nicht!“ – Ist das wirklich so? Probieren Sie es doch mal aus – und halten Sie das Nicht-Tun aus. Was passiert dann?
- „Mama macht das schon!“ – Hat Ihre Familie damit recht? Haben Sie das bis jetzt immer gemacht? Dann geben Sie es auf und gucken mal, was passiert.
- „Frau Dings ist immer so gut vorbereitet, die kümmert sich doch bestimmt gerne wieder darum.“ – Nur, weil Sie sich selbst gut organisieren, haben Sie nicht die Verantwortung dafür, dass es bei anderen auch glattläuft. Was passiert, wenn Sie mit dem Fokus bei sich bleiben? Nein-Sagen bringt nämlich Ihre Karriere voran!
Welche solcher Sätze kennen Sie aus Ihrem Alltag? Wo wollen Sie zuerst ausprobieren, was passiert, wenn Sie mal nichts tun?
Noch mehr Tipps für mehr Gelassenheit
Sorgen Sie gut für sich selbst – und damit auch für andere. Sie können und müssen nicht die Verantwortung für alle und alles tragen! Die beste Unterstützung dabei gibt es in Ihrem Netzwerk: Wer gibt Ihnen Energie? Wer Sie schätzt und wertschätzt, nimmt Ihnen gerne Last ab.
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