Schattenseiten von New Work: Risiko der Selbstausbeutung

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Schild an einer Wand mit dem Aufdruck: New Work City

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Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Im Idealfall passt die Arbeit zu unseren Stärken, wir können dort unsere Persönlichkeit einbringen und unsere Werte durch unser Tun verwirklichen, haben angenehme Kolleg:innen und Chancen, uns weiterzuentwickeln. So weit die Wunschvorstellung, die noch zu selten zum tatsächlichen Arbeitsleben passt.

Gerade in den Pandemie-Jahren sind für jede und jeden von uns die Knackpunkte der momentanen beruflichen Tätigkeit offenbar geworden. Es hat sich gezeigt, dass Arbeit, so wie sie jetzt organisiert wird, zu viele Menschen zu unglücklich macht.

Zeit, das zu ändern!

Chancen von New Work

Nach Mechanisierung, Industrialisierung und Digitalisierung treten wir jetzt in die „Arbeitswelt 4.0“ ein. Das Zauberwort des 21. Jahrhunderts heißt momentan „New Work“. Neue Ideen, neue Modelle für interne Strukturen und Abläufe sollen allen die Möglichkeit geben, auf der Arbeit ganz sie selbst zu sein.

Agiles Arbeiten, flache Hierarchien und größtmögliche Freiheit – moderne Unternehmen möchten ihren Mitarbeitenden die bestmöglichen Voraussetzungen zu Arbeiten bieten. Der Ansatz ist richtig, denn der Fachkräftemangel wird noch etliche Jahre anhalten und gut ausgebildete Spezialist:innen möchten nicht nur gut bezahlt werden, sondern auch Prozesse und Strukturen, die ihre Arbeit unterstützen und mit denen sie sich wohlfühlen.

Die Idee von New Work: Wenn es die bestmögliche Arbeitsumgebung gibt, steigen wie nebenbei auch Produktivität, der Output an kreativen Ideen, der Teamzusammenhalt, die Arbeitsmotivation, kurz: das allgemeine Zufriedenheitslevel im Betrieb. So weit die Theorie.

Risiken von New Work

All das sind hervorragende Ziele, aber die neue Arbeitswelt hat auch Schattenseiten. Unter anderem:

  • Arbeiten rund um die Uhr: Flexible Wahl von Arbeitszeit und Arbeitsort bedeutet große Freiheit, aber auch, dass Arbeit und Privatleben miteinander verschmelzen.
  • Vereinsamung: Remote arbeiten ermöglicht konzentriertes Arbeiten ohne Ablenkung von Kolleg:innen, kann aber auch zur Vereinsamung führen.
  • Überforderung: Eigenverantwortung ist prinzipiell ein gutes Konzept, aber manche Menschen sind durch die große Freiheit eher verunsichert, sie brauchen festere Strukturen, um gut arbeiten zu können
  • Weniger Pausen: Wenn der Arbeitsweg bedeutet, in 10 Sekunden von der Küche am Schreibtisch zu sein, entfallen wichtige „Rüstzeiten“. Darunter versteht man eigentlich Phasen, die benötigt werden, um eine Maschine auf den nächsten Auftrag einzustellen. Auch das Gehirn kann als wichtige Maschine im Arbeitsprozess verstanden werden.

Rüstzeiten sind die Phasen, in denen sich der Mensch auf einen Wechsel von Aufgaben einstellt, in denen das Gehirn sich entspannen kann. Zum Beispiel gönnen wir uns beim Pendeln ins Büro, ein paar Seiten im Krimi zu lesen oder einen Podcast zu hören, weil in der U-Bahn ohnehin kein produktives Arbeiten möglich ist, oder drehen das Autoradio auf und begleiten den Sommerhit von 1996 sehr laut (und vermutlich: sehr schief) mit der eigenen Stimme.

Mit dem kürzestmöglichen Arbeitsweg (yay!), entfallen also auch die Mini-Momente für uns selbst (meh…), und es besteht das Risiko, dass Arbeitnehmerinnen diese zuvor „unproduktiven“ Leerlauf-Zeiten an die Arbeitszeit dranhängen.

Arbeit ist wichtig, aber nicht alles

Experimente in der Arbeitswelt mit neuen Ideen wie dem „New Work“-Ansatz sind gut und wichtig, denn Arbeit muss sich ändern. Aber die zahlreichen Ideen, wie Arbeit neu zu organisieren wäre, dürfen keine Entschuldigung dafür sein, dass immer noch sehr viele Menschen für zu wenig Geld zu viel arbeiten. Denn das Wichtigste an Arbeit ist und bleibt, dass Menschen mit ihren Gehältern ein gutes Leben finanzieren können. Und dass sie auch mal etwas anderes tun als arbeiten.

Im Rahmen der Artikel-Serie Anders arbeiten der Süddeutschen Zeitung kommentiert Kathrin Werner den Trend von „New Work“ und erläutert, wie dieser Ansatz auch ein hervorragendes Rezept für die eigene Selbstausbeutung sein kann.

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