Angst bei der Arbeit – 3 schnelle Tipps und eine langfristige Lösung

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Angst ist eine treue Begleiterin, bei der Arbeit und im Alltag. Sie wird nie ganz verschwinden. Im Job muss sie uns jedoch nicht blockieren, sondern kann uns auch beflügeln. In unserem Blogartikel lesen Sie, wie das gelingen kann.
Angst am Arbeitsplatz: Das Bild zeigt Streetart. An einer Wand ist eine Person im türkisen Kapuzenpulli. Es ist nur der Oberkörper zu sehen. Die Person verzeiht angsterfüllt ihren Mund und hält sich die Hände vor die Augen.

Mit Angst zur Arbeit – das geht gar nicht, oder? Niemand will im Job die Angst im Nacken sitzen haben. Und wer gibt schon gerne zu, dass die Angst mit am Schreibtisch sitzt, wenn eine wichtige Präsentation vorbereitet werden soll. Doch wir tun der Angst unrecht und schaden uns selbst, wenn wir sie ignorieren. Immerhin haben wir es hier mit einem Gefühl zu tun, das da ist, um uns das Leben zu retten.

In diesem Blogartikel aus der Reihe „Gute Arbeit – mit Gefühl“ beschäftigen wir uns näher mit der Angst. Es gibt ein paar Tipps zur Soforthilfe bei Angstgefühlen – und unsere beste Methode, sich mit der eigenen Angst anzufreunden und langfristig einen guten Umgang zu finden.

Inhalt

Angst als wichtiges Signal: Soforthilfe bei Fight, Flight, Freeze

Angst zeigt uns evolutionär bedingt blitzschnell an, wenn wir in Gefahr sind. Stresshormone sorgen für körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, Nervosität, Schwitzen – wir sind in Alarmbereitschaft, hellwach und können schnell reagieren. Angst setzt Energie frei, die wir nutzen können, um die Situation für uns zu verbessern. Fight or flight, Angriff oder Flucht sind zwei der Reaktionsmuster, die jetzt aktiviert werden. Oder es gibt einen „Freeze“: Wir erstarren. Denn sich totzustellen hat in der Evolution schon oft als Überlebensmechanismus funktioniert.

Für alle drei Reaktionsmuster haben wir Tipps, wie Sie Ihre Angstreaktion ernst nehmen und genau dadurch nutzen, um wieder in einen entspannteren Zustand zu kommen.

Wenn nichts davon nützt und sie regelmäßig und über einen längeren Zeitraum große Angst auf der Arbeit im Alltag haben, sollten Sie sich unbedingt Hilfe suchen. Oft hilft ein gezieltes Coaching, bei dem Sie Strategien zum Umgang mit Ihrer Angst lernen. Wenn es eine echte Angststörung ist, brauchen Sie aber therapeutische Hilfe. Die erste Anlaufstelle, um das abzuklären, ist Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt.

Fight – Angriff ist die beste Verteidigung

Wer sich angegriffen fühlt, fängt an, sich zu wehren – im Büro (hoffentlich nur) verbal gegen die Person, die einen vermeintlich gerade attackiert. Das sind dann meist Rechtfertigungen, oder es wird laut zwischen zwei Menschen. Keine angenehme Situation, aber diese Verbalattacken sind oft das einzige Mittel, was eine angegriffene Person zur Verfügung hat.

Falls Sie gerade selbst Ziel solcher Angriffe sind, könnte Ihnen der Gedanke helfen: „Wow, meine Kollegin ist gerade richtig unfair. Ob sie wohl vor etwas Angst hat?“

Wenn der erste Energieschwall raus ist, sind Sie vielleicht in der Lage, Ihren Angriffsmodus „konstruktiv zu nutzen. „Angriff“ kann nämlich auch bedeuten: volle Konzentration auf die Problembeseitigung. Dahinter steht die Überlegung: Was kann ich tun, damit die Lage jetzt sofort für mich besser wird? Was sollte ich ändern, damit ich auch langfristig beruhigt bin?

Flight – die Situation verlassen und kurz Pause machen

„Flucht“ war früher die Option, die bei Angst gut durchbluteten Muskeln dazu zu nutzen, um sehr schnell die Gefahrenzone zu verlassen.

Buchstäblich wegzurennen ist bei der Arbeit und im Rest unseres heutigen Alltags meistens nicht situationsangemessen. Aber sich für eine Weile zurückziehen und durchatmen, das wäre ein Weg – zum Beispiel ins eigene Büro gehen und die Tür schließen oder kurz mal allein sein auf der Toilette. Im Idealfall, ohne dabei die Tür zu knallen, aber: was raus muss, muss raus.

Freeze – einfach mal nichts tun und die Nerven beruhigen

Angst kann Energie freisetzen – oder uns einfrieren. Wenn der Stress zu viel wird, wenn das Nervensystem völlig überreizt ist, dann fährt unser System komplett runter. Die Angst blockiert Muskeln und Denken, oft ist mit diesem Zustand auch ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht verbunden.

Das ist der „Freeze“-Zustand. Unangenehm. Aber es gibt einen Weg raus. Sprechen Sie sich innerlich Mut zu, sagen Sie sich: „Ich bin in Sicherheit, mein Leben ist nicht in Gefahr. Es ist nur ein Büro, kein Dschungel.“ Dabei tief und langsam atmen. Und, wenn Sie dazu in der Lage sind: einen lieben Menschen kontaktieren. Die vertraute Stimme am Telefon oder eine verständnisvolle Nachricht wirken ebenfalls beruhigend auf das Nervensystem.

Angst als Ressource nutzen

Zum Glück geht es in unserem Job selten ums nackte Überleben. Dennoch ist es sinnvoll, die eigene Angst und auch die von anderen wahrzunehmen, damit wir sie als Ressource nutzen können.

Angst kann uns zeigen:

  • Ooohh, hier läuft gerade was schief!
    Ressource: Meine Angst ist ein Wegweiser, etwas zu ändern, um einen um einen (noch größeren) Fehler zu verhindern.
  • Urks, hier fühle ich mich nicht wohl!
    Ressource: Meine Angst zeigt mir: Jemand handelt gegen meine Werte oder Interessen.
  • Achtung – hier kommt etwas Unerwartetes!
    Ressource: Meine Angst zeigt: Ich betrete neues Terrain. Fühlt sich unsicher an, aber ich lerne gerade etwas und könnte sogar eine Innovation entdecken.

Angst im Alltag: Eine schlechte und eine gute Nachricht

Die schlechte Nachricht (und Hand aufs Herz): Wir haben ständig kleine oder große Ängste, auch wenn wir das im Berufsalltag nicht wahrnehmen oder wahrhaben wollen. Meist sind es Verlustängste: Wir haben Angst, dass unsere Präsentation nicht gelingt, wir unvorbereitet wirken, etwas Dummes fragen, etwas Unpassendes sagen, etwas falsch berechnen, eine wichtige Situation falsch einschätzen oder Schaden verursachen könnten. Denn wir wollen nicht unseren Job, unseren Auftrag, unseren guten Ruf, Anerkennung, Liebe oder unsere Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe verlieren.

Die gute Nachricht kommt vom Neurobiologen Gerald Hüther, der ausgiebig zur Angst geforscht und geschrieben hat: „Die meisten Ängste, die wir haben, werden nicht von realen Geschehnissen getriggert, sondern in erster Linie von unseren Vorstellungen.“ Die Präsentation könnte schief gehen – das muss aber überhaupt nicht sein!

Angst entsteht im Kopf – und mit Fokus auf unsere Wahrnehmung kommen wir da raus

Angst entsteht im also Kopf, in unseren Gedanken. Wir produzieren mit unseren Gedanken einen Horrorstreifen und malen uns in bunten Farben aus, was alles möglicherweise passieren könnte. Die Realität sieht ganz anders aus.

Sich dessen bewusst zu werden ist ein wichtiger Schritt und kann sehr helfen beim Umgang mit der Angst: Ist der Gedanke wahr, den ich gerade denke? Kann ich mir sicher sein, dass er wahr ist?

Und dann ganz kurz innehalten und mit allen Sinnen die Situation wahrnehmen: Was sehe ich um mich herum, wie sieht mein Büro aus? Welche Geräusche nehme ich wahr? Ach, das ist die Kaffeemaschine, die vertraut schnorchelt. Wie sitze ich momentan auf meinem Stuhl? Kann ich den Bürostuhl fühlen, kann ich mit meinen Füßen eine feste Verbindung zum Boden aufnehmen?

Der Fokus auf die sinnliche Wahrnehmung ist ein wahnsinnig gutes Beruhigungsmittel für das Nervensystem. Sie kommen dadurch wieder im Hier und Jetzt an. Mit diesem inneren Abstand erscheint der Horrorfilm in Ihrem Kopf meistens schon viel weniger schlimm.

Unser bester Tipp zum guten Umgang mit Ihrer Angst

Es kann durchaus lohnend sein, zu hinterfragen, was hinter der eigenen Angst steckt. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine besonders wirksame Methode ist, sich die Angst als Person oder zumindest als Wesen vorzustellen. Damit arbeiten wir oft in unseren Coachings.

Dazu laden Sie Ihre Angst auf ein Gespräch in Ihrem Kaffeetisch ein. Stellen Sie sich vor, wie die Angst an Ihrer Tür klingelt. Was sehen Sie? Wie sieht die Angst aus? Wie groß ist sie, welche Kleidung hat sie an? Hat sie einen Namen? Dann – wenn Sie können – bitten Sie die Angst zu sich in die Wohnung. Wie verhält sich die Angst da? Setzt sie sich auf den angebotenen Platz? Macht sie sich breit oder sitzt sie dort klein und kümmerlich? Wenn die Angst ein Lieblingsgericht hätte – was wäre das? Und wären Sie bereit, das heute zu servieren?

Malen Sie sich die Szene in allen Details aus. Und fangen Sie ein Gespräch mit Ihrer Angst an. Vielleicht erst ein bisschen Smalltalk, aber dann fragen Sie sie, was Sie sie schon immer fragen wollten. Zum Beispiel: „Was willst du mir eigentlich sagen, wenn du mich so überfällst? Was soll ich deiner Meinung nach in solchen Situationen tun?“ Mit diesen Informationen können Sie überlegen, ob Sie diese Hinweise übernehmen möchten und etwas im Alltag ändern. Dann begleiten Sie die Angst wieder hinaus. Geht sie freiwillig? Müssen Sie sie rauswerfen? Und wie fühlen Sie sich nach diesem Besuch?

Die Methode eignet sich nicht dafür, sie mitten im Termin anzuwenden. Aber zum Beispiel, wenn Sie die Sitzung vorbereiten. Probieren Sie es mal aus – am besten dann, wenn sich das erste leichte Grummeln in der Magengegend meldet.

Verdrängung: Dünger für Ihre Angst

Diese aktive Auseinandersetzung mit der Angst kostet Energie und ein bisschen Mut. Deswegen sind Vogel-Strauß-Manöver die beliebtere Strategie zum Umgang mit Angst. Kopf in den Sand stecken, nichts tun, sich ablenken… alles viel einfacher und angenehmer. Das Ergebnis: Wir beschäftigen uns nicht mit der eigentlichen Aufgabe – der Lösung eines Konfliktes durch ein Gespräch, die Vorbereitung einer wichtigen Präsentation – , sondern mit etwas völlig anderem. Willkommen im Verdrängungsmodus!

Wenn Sie können, verabschieden Sie sich davon. Denn Verdrängung wirkt wie ein Dünger und lässt die Angst anwachsen. Sie schrumpft dagegen, wenn sie eine andere Pflege bekommt: angemessene Aufmerksamkeit. Schenken sie Ihrer Angst und damit sich selbst deshalb hin und wieder ein wenig Zeit.

Die Angst ist uns eine treue Begleiterin und wird nie ganz verschwinden. Im Job muss sie uns jedoch nicht blockieren, sondern kann uns auch beflügeln. Geben Sie sich die Möglichkeit, an ihrer Angst zu wachsen.

Angst im Job? Ein Coaching kann helfen

Angst, in Meetings zu sprechen. Angst davor, etwas falsch zu machen. Angst vor Gruppen zu sprechen. Es gibt viele Ängste, die uns den Berufsalltag schwermachen und uns an einer Karriere hindern, die uns glücklich macht.

Wenn Sie sich ihren Ängsten rund um den Job nicht alleine stellen wollen, melden Sie sich bei uns. Sie haben in diesem Blogartikel schon eine unserer Methoden kennengelernt, wie wir im Coaching mit Ängsten umgehen. Und wir haben noch mehr im Köcher!

Noch mehr über Angst am Arbeitsplatz erfahren – Tipps zum Lesen und Hören

Zum Hören: Podcast-Tipp

  • XING Podcast: New Work Stories – Der Podcast zur Zukunft der Arbeitswelt
    In Folge 88 spricht der Hirnforscher Dr. Gerald Hüther über die Angst im Job, die Forschung zu Angst am Arbeitsplatz und sein populärwissenschaftliches Buch „Wege aus der Angst“ (2020), das aus Anlass der Corona-Pandemie entstanden ist. Es baut auf den Bestseller „Biologie der Angst – Wie aus Stress Gefühle werden“ auf.   

Zum Lesen: Artikel aus der Zeitschrift managerSeminare (managerSeminare Verlags GmbH, Bonn)

  • „Sieben Mythen über Furcht: Angst als Kompetenz“ beschreibt die Trainerin, Coach und Organisationsentwicklerin Tanja Gerold in ihrem Beitrag in managerSeminare, Heft 293, August 2022.
  • „Mit Sicherheit ängstlich“ – Die Managementberater Stefan Kaduk und Dirk Osmetz erklären, warum wir Angst zulassen sollen – und wie Angst und Sicherheit den öffentlichen Dienst lähmen.  managerSeminare, Heft 273, Dezember 2020.
  • Warum Gefühle sehr wohl an den Verhandlungstisch gehören, beschreibt die Kultur- und Politikwissenschaftlerin Sonja Andjelkovic in ihrem Buch „Verhandlungen intuitiv und ergebnisorientiert gestalten“, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2017.
    Dazu gibt es auch einen Beitrag in managerSeminare, Heft 235, Oktober 2017.