Gemeinsam erfolgreicher: Interview mit Netzwerk-Gründerin Dr. Antje Schultheis

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Im beruflichen Netzwerk „Spinnen-Netz“ finden Organisationen, Expert:innen auf Jobsuche und Freiberufler:innen zusammen, die die Gesellschaft bewegen wollen. Wie das funktioniert, erklärt die Gründerin und Geschäftsführerin Dr. Antje Schultheis im Interview.
Dr. Antje Schultheis, Gründerin des "Spinnennetz"

Sind Sie auf Jobsuche, brauchen Sie Aufträge oder Personal? Dann wissen Sie es vermutlich schon: Um passende Kolleg:innen, Kund:innen und Mitarbeiter:innen zu finden, ist Netzwerken unerlässlich. Davon ist auch Dr. Antje Schultheis überzeugt. Sie ist Gründerin und Geschäftsleiterin des beruflichen Netzwerkes Spinnen-Netz.

Die Plattform hat ihren Sitz in Bonn und steht für „Arbeit mit Wirkung“. Was das bedeutet, was das Spinnen-Netz online und in Präsenz bietet, und wie man Mitglied werden kann, erklärt die überzeugte Netzwerkerin im Interview.

Inhalt

Dr. Antje Schultheis ist promovierte Politologin und Beraterin für berufliche Entwicklung. Arbeitsverhältnisse im Non-Profit-Bereich, im Bildungs- und Wissenschaftssystem kennt sie aus eigener Erfahrung, da sie selbst bei vier gemeinnützigen Organisationen (NGO) gearbeitet hat.

Sie weiß, wie wichtig persönliche Kontakte und kollegialer Austausch sind, um den passenden Job zu finden: Nicht nur im gemeinnützigen Sektor wird ein Großteil der Stellen über Netzwerke besetzt. So ist die Idee für die Plattform entstanden, die seit 2006 besteht, seit 2009 online ist – und auch Aktivitäten „live und in Farbe“ bietet.

Frau Dr. Schultheis, das Spinnen-Netz steht für „ArbeitMitWirkung“. Was bedeutet das genau – und wer gehört dem Netzwerk an?

Dem Spinnen-Netz gehören inzwischen mehr als 600 Arbeitnehmende und Selbständige und weitere 150 Netzwerkpartner:innen an. Ziele sind: Zum einen will das Netzwerk einen Überblick über die vielfältigen Organisationen im sinnstiftenden Bereich schaffen. Dazu zählen NGOs ebenso wie Stiftungen, Gewerkschaften oder gemeinnützige Unternehmen, auch gUGs oder gGmbHs.

Zudem verfolgt das Netzwerk aufmerksam thematische Trends in der Internationalen Zusammenarbeit, der Migrationspolitik, dem zivilen Friedensdienst und auch im Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Daraus leiten wir Schlüsse für die Berufsbilder ab: Werden künftig mehr Berater:innen oder eher Schnittstellenmanager:innen gebraucht? Fehlen Fundraiser:innen oder wie aktuell Fachkräfte für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation? Genau dazu können wir beraten und Empfehlungen aussprechen und wissen auch, welche Fortbildungen jeweils aktuell gefragt – und welche wirklich gut sind.“

Freiberufler:innen können wir empfehlen, bei welchen NGOs sich pro-aktive Auftragsakquise lohnen könnte, und wo es eher die offiziellen Ausschreibungen abzuwarten gilt, oder wo und wann sich diese anbahnen. Im Spinnen-Netz kann man sich zudem über Angebotsgestaltung und Preisfindung beraten lassen.

Bei sinnstiftenden Jobs denkt man auch an prekäre Arbeitsverhältnisse, Arbeitsüberlastung und begrenzte Ressourcen. Ist das eher Klischee oder Realität – und was heißt das für das Spinnen-Netz?

Das ist ein wichtiges und brisantes Thema: Denn im Gegensatz zur Wirtschaft oder zum öffentlichen Dienst können NGOs nicht mit wachsenden Gewinnmargen oder festen Budgets aus dem Staatshaushalt rechnen. Viele Arbeits- oder Themenbereiche sind projektgebunden; und auch die wirklich erfolgreich akquirierenden NGOs erzeugen durch die vielen zeitlich befristeten Projekte eine hohe zeitliche Taktung, Arbeitsbelastung und fehlende Planbarkeit.

Wann immer ein neues Projekt und vielleicht auch zusätzliche neue Mitarbeitenden dazu kommen, sollten auch diese nach dem Projekt weiter versorgt werden. Also müssen die Projektmitarbeitenden bereits während des laufenden Projektes frühzeitig weitere Projektanträge stellen, was einen hohen Druck verursacht. Das ist das eine.

Das andere ist, dass natürlich auch das Ende der Arbeit droht, wenn keine weiteren Projektmittel an Land gezogen werden können. Somit sind Jobs weiterhin bei den NGOs prekär, die zu einem hohen Anteil von dieser Projektlogik abhängig sind. Besser gestellt sind die großen NGOs, die ein fast planbar hohes Spendenaufkommen haben und auch die NGOs neuen Typs, die teilweise mit der Wirtschaft zusammenarbeiten oder inzwischen auch einen Consultingbereich haben.

In NGOs hängen also häufig Jobs von bewilligten Projektmitteln ab. Was kann ein Netzwerk wie das Spinnen-Netz hier ausrichten?

Wir sehen weiter diese seriellen Sollbruchstellen in den beruflichen Lebenswegen unserer Mitglieder und versuchen mit unserem unermüdlich umfassenden Jobangeboten und Ausschreibungen für Freiberufler:innen unseren Mitgliedern zu zeigen, dass es immer weiter geht, oder sogar noch interessanter und passender werden kann.

Die Mitglieder haben in unserem Netzwerk die Möglichkeit zum einen durch ihre Profildarstellung und zum anderen über unsere vielen Netzwerkveranstaltungen, Sprechstunden oder Mailkommunikation, dass wir sie in ihren Interessen und Wünschen gut kennenlernen. Damit können wir sie gut vernetzen und natürlich auch die Stellenangebote thematisch, geographisch und letztlich auch politisch gut auf sie ausrichten.

Welche Rolle spielt Konkurrenz in einem beruflichen Netzwerk – und wie geht man im Spinnen-Netz damit um?

Ich persönlich glaube, dass jeder Topf den passenden Deckel findet. Natürlich gibt es ähnliche Deckel … und das spräche für eine konkurrierende Situation. Aber nicht jeder Deckel will genau auf den gleichen Topf. Expert:innen mit dem gleichen Hintergrund haben nicht zwangsläufig die gleichen Ziele und fühlen sich von den Ausschreibungen auch nicht unbedingt gleich angesprochen.

Natürlich gibt es umkämpfte Stellen wie die raren Traineeships bei der GIZ. Aber auch da kann sich jede:r fragen, ob es nicht auch noch andere – persönlich vielleicht sogar besser passende Wege – zum Ziel gibt.

Wir zeigen beim Spinnen-Netz auch Alternativen auf, leiten uns Informationen weiter und beraten uns gegenseitig solidarisch. Das Spinnen-Netz steht für ein kollegiales, vertrauensvolles Miteinander. Das heißt, unsere Mitglieder begegnen Wettbewerbssituation auch pro-aktiv, indem sie sich beispielsweise zu zweit auf eine geteilte berufliche Position bewerben oder als Freiberufler:innen gemeinsamen für einen größeren Auftrag zusammenarbeiten. Das habe ich selbst schon mit Erfolg ausprobiert, und die Idee stieß auf Wohlgefallen, obwohl sie gar nicht vorgesehen war.

Dr. Antje Schultheis, Gründerin des "Spinnennetz"
Dr. Antje Schultheis ist überzeugte Netzwerkerin: „Das Spinnen-Netz steht für ein kollegiales, vertrauensvolles Miteinander. Natürlich haben wir Mitglieder mit ähnlichem Hintergrund. Die haben aber meistens unterschiedliche Ziele und Interessen.“

Was bietet das Spinnen-Netz denn seinen Mitgliedern?

Wer einen Job sucht, hat Zugang zu unserem exklusiven Stellenportal. Das heißt, hinter den meisten Stellenausschreibungen in unserem Pool lassen sich auch Hintergrundinfos zu den Arbeitgebern erfragen, und das ist ein springender Punkt: Denn das Stellengangebot an sich sagt wenig über Organisations- und Führungskultur, Arbeitsatmosphäre, oder Teamgeist unter Kolleg:innen.

Genau das ist aber neben dem häufigen Wunsch nach einer sinnstiftenden und selbstwirksamen Tätigkeit das, was uns bei der täglichen Arbeit antreibt – oder eben fehlt und zum Jobwechsel führt: Gemeinsam mit anderen an einem Strang zu ziehen.

Woher bekommt denn das Spinnen-Netz diese wertvollen Hintergrundinfos zu ausgeschriebenen Stellen?

Über die vielen Netzwerkmitglieder, die früher in vielen Organisationen gearbeitet haben oder dort aktuell beschäftigt sind. Das ist, wenn man so will, ein positives Ergebnis der befristeten Projektverträge im Non-Profit-Bereich – wir kennen die Häuser von innen. Seit Anfang 2023 bieten wir deshalb auch eine Übersicht über potentielle Arbeitgebende für die proaktive Jobsuche.

Umgekehrt ist das Spinnen-Netz beiNGOs, Stiftungen, Think Tanks und Bildungsträgern ein gern genutzter Partner bei der Personalsuche: Mit ihren Ausschreibungen in unserem Portal können sie direkt die richtige Zielgruppe ansprechen und finden über persönliche Kontakte und den vertrauensvollen Austausch schnell und erfolgreich die passenden Fachkräfte für ihre Teams.

Was unterscheidet das Spinnen-Netz als Netzwerk von Jobbörsen?

Zwei Aspekte lassen sich da sofort herausstellen. Der eine ist der Schwerpunkt sinnstiftende Tätigkeiten. Er bildet eindeutig die Grundlage für unsere Arbeit, unser Antrieb ist die Wirkung für die Gesellschaft, nicht der schnelle und maximale Profit. Natürlich wollen wir alle für fundierte Arbeit auch angemessen wertgeschätzt und bezahlt werden.

Und hier kommt unsere Besonderheit, der Netzwerkgedanke, ins Spiel: Wir vernetzen Jobanbieter und Jobsuchende, die dieses Ziel teilen. Und das nicht nur über die reine Jobvermittlung. In unserem internen Portal können Jobsuchende wertvolle Insiderinfos zu aktuellen Ausschreibungen, Arbeitsbedingungen und Jobaussichten erfragen.

Wir sind ein aktives Netzwerk und stehen für einen fairen Umgang miteinander. Neben Information zu Fortbildungen, Kooperationsmöglichkeiten oder aktuellen beruflichen Trends, wie ich sie bereits beschrieben habe, finden unsere Mitglieder passende Angebote zu ihren beruflichen Phasen.

Welche Angebote gibt es für Mitglieder mit unterschiedlicher Berufserfahrung?

Für Berufseinsteiger:innen gibt es das Mentoring-Programm oder auch spezifische Workshops. Das ist auch für Berufserfahrene interessant, die sich verändern oder ihr Wissen weitergeben wollen. Seit 2017 bieten wir auch Freiberufler:innen eine Plattform für ihre Themen von Akquise bis Zusammenarbeit, dazu gehört zum Beispiel der Online-Lunch, bei dem wir uns zu Fachfragen austauschen.

Wir ermöglichen den regelmäßigen Austausch unserer Mitglieder auch in Präsenz, etwa durch die Spinn-Bars in Bonn, Berlin, Frankfurt und Hamburg, wobei durch die überregionale Vertretung des Netzwerkes und aufgrund der letzten Pandemiejahre viele Netzwerkveranstaltungen nun auch digital laufen.

Aber auch Formate wie Walk &Talk oder eine netzwerkelnde Radtour sind dabei. Dass die Angebote und das Netzwerken wirken, zeigen unsere zahlreichen Erfolgsgeschichten

Wie kann man Mitglied im Spinnen-Netz werden?

Zu Beginn des Netzwerkes nahmen wir vor allem neue Mitglieder auf Empfehlung auf. Das hat sich für die Aufbauphase sehr bewährt, da wir das wichtige Element des gegenseitigen Vertrauens innerhalb einer „like-minded group“, in der sich viele über Ecken durch das Schneeballsystem persönlich kennen, das Vertrauen und somit die Bereitschaft, Informationen und Kontakte zu teilen besonders groß ist.

Die Mund-zu-Mund-Propaganda und das Weiterspinnen der Fäden zu Menschen mit einem ähnlichen Mindset und ähnlichen Interessenfeldern lief so gut, dass wir schließlich auf die Empfehlung als Bedingung verzichtet haben.

Meist nennen die neuen Interessierten weiterhin die Netzwerkverbindung, über die sie vom Spinnen-Netz erfahren haben. Wichtig ist, dass sich die Mitglieder für mindestens einen unserer fünf Schwerpunktbereiche interessieren. Das sind Entwicklungszusammenarbeit & Ziviler Friedensdienst; Nachhaltigkeit & Klimaschutz; Flucht, Migration & Integration; Interkulturelle Bildung & Wissenschaft; Gesellschaftliche Gestaltung. 

Und wir wünschen uns Mitglieder, die ehrenamtlich engagiert sind. Das unterscheidet unsere Zielgruppe neben der fachlichen und methodischen Kompetenz von vielen anderen Bewerbenden und Fachkräften.

Was kostet eine Mitgliedschaft im Spinnen-Netz?

Damit sich die neuen Interessierten erst einmal im Spinnen-Netz kennenlernen können, gibt es die 2- wöchige kostenfreie Mitgliedschaft, danach kostet es 20 Euro pro Quartal, für Freiberufler:innen fällt dazu die Mehrwertsteuer an. MitWirker:innen zahlen nur den halben Mitgliedsbeitrag. Immer wieder bieten wir auch Sonderaktionen an, wie etwa die Aktionsmitgliedschaft aus besonderen Anlässen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Dr. Antje Schultheis!

Sie haben weitere Fragen zum Spinnen-Netz? Netzwerken Sie und kontaktieren Sie die Spinnen-Netz-Geschäftsstelle: info@spinnen-netz.de, Tel. 0228-18035150 oder 0228 2998083.

Das Interview führte unsere Netzwerkpartner:in Nicole Körkel – die noch an der Uni über eine Empfehlung zum Spinnen-Netz kam und sich heute dort im Freiberufler:innen-Pool tummelt.

Fotos: Christopher Horne